Der Wandel der Energiesysteme stellt die Industrie und die Wärmebranche vor große Herausforderungen, insbesondere in hohen Temperatur- und Leistungsbereichen. Großwärmepumpen rücken deshalb als Schlüsseltechnologie immer stärker in den Fokus. Ein neues Großwärmepumpen-Infoportal gibt jetzt erstmals einen umfassenden Überblick zu Produkten und Herstellern und stellt bereits realisierte Projekte vor.
„Mit dem neuen Infoportal schließen wir eine entscheidende Informationslücke auf dem Weg zu klimaneutralen Wärmenetzen und Industrieprozessen. Damit gehen wir einen wichtigen Schritt zur bundesweiten Energiewende“, so Energieminister Kaweh Mansoori heute in Wiesbaden. Großwärmepumpen ermöglichen eine zuverlässige Erzeugung von Wärme bis 200°C, in Verbindung mit Dampfkompressoren sogar bis 300°C. „So hohe Temperaturen werden beispielsweise in der Metallverarbeitung oder in der Chemie-Branche benötigt und werden durch die Verbrennung fossiler Energiequellen erreicht. Großwärmepumpen hingegen nutzen erneuerbare Energiequellen wie zum Beispiel die Umgebungswärme aus Flüssen oder der Luft sowie Abwärme aus Industrieprozessen oder Rechenzentren“, so der Minister.
Ein europaweit einzigartiges Portal
Von der Fraunhofer-Einrichtung für Energieinfrastrukturen und Geotechnologien IEG und der LEA LandesEnergieAgentur Hessen (LEA Hessen) im Auftrag des Hessischen Wirtschaftsministeriums entwickelt, ist es europaweit das erste Portal, das einen umfassenden Überblick über verfügbare Produkte, Hersteller und realisierte Projekte bietet. Die zugrunde liegende Datenbank wurde im Rahmen des Projekt WinPro durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz finanziert.
Das Herzstück des Portals bildet eine umfassende Datenbank, die detaillierte Informationen zu am Markt verfügbaren Großwärmepumpen und Herstellern bereitstellt. Vielfältige Filteroptionen – u.a. für Leistungsbereich, Temperaturbereich und Kältemittelkategorie – ermöglichen eine gezielte Produktsuche für kommende Betreiber. Zudem liefert die Datenbank auch Einblicke in geplante und umgesetzte Projekte in Hessen und Deutschland. Ergänzt wird das Angebot durch vertiefende Informationen zu Technologien, Kältemittelauswahl und Verschaltungsvarianten sowie durch einen integrierten Wirkungsgrad-Rechner, der die Effizienz verschiedener Systeme vergleichbar macht.
„Unser Ziel ist es, Planer und Betreiber von Wärmenetzen sowie energieintensive Industrien mit praxisorientierten Lösungen zu unterstützen“, erklärt Julia Woth Abteilungsleiterin für Erneuerbare Energien, Wasserstoff & Mobilität bei der LEA Hessen. „Das Infoportal bietet genau die Transparenz, die notwendig ist, um Großwärmepumpen in Industrieprozessen oder zur Fernwärmeversorgung optimal einzusetzen.“
Tragfähige Lösungen für Endkunden
„Aus unseren Gesprächen mit Kommunen und Unternehmen kennen wir die Fragen aus der Praxis. Wir arbeiten gezielt daran, wirtschaftlich tragfähige Lösungen für Endkunden zu erarbeiten und so die Verbreitung von Großwärmepumpen voranzutreiben“, ergänzt Fabian Ahrendts, der am Fraunhofer IEG das Competence Center für thermische Energieanlagen und Großwärmepumpen leitet. „In die Datenbank fliesen unsere Erfahrungen aus der angewandten Forschung und Entwicklung an Großwärmepumpen sowie aus Umsetzungsprojekten mit der Industrie ein. Unser Ziel ist es, damit Markttransparenz herzustellen und Projekte für die nachhaltige Energieversorgung mit regionaler Wertschöpfung anzustoßen.“
Das Potenzial der Wärmepumpen ist enorm: Langfristig könnten sie den gesamte deutschen Wärmebedarf bis 200 °C decken – das entspricht 75 % des aktuellen deutschen Erdgasverbrauchs und über einem Viertel der nationalen Treibhausgasemissionen (Agora Energiewende & Fraunhofer IEG, 2023). Doch bislang fehlte eine zentrale Anlaufstelle, um passende Lösungen und praktische Anwendungsbeispiele schnell und zuverlässig zu finden. Genau hier setzt das neue Großwärmepumpen-Infoportal an.
Erste Pilot-Projekte in Hessen
Wie Großwärmepumpen erfolgreich eingesetzt werden können, zeigt zum Beispiel ein Projekt an der TU-Darmstadt. Hier ist eine Großwärmepumpe mit rund 550 kW installiert, die Abwärme aus einem Großrechner auf Fernwärmetemperatur bringt und damit Teile des Campus beheizt. „Leistungsfähige Rechenzentren sind für uns als Technische Universität unerlässlich, verursachen aber auch 20 Prozent unseren Gesamtstromverbrauchs. Die dabei entstehende Abwärme durch Wärmepumpen zu nutzen, ist ein wichtiger Beitrag zur Energiewende“, betonte Dr. Martin Lommel, Kanzler der TU Darmstadt.
Neben der Anlage in Darmstadt gibt es weitere Projekte in Hessen, bei denen Großwärmepumpen schon heute zum Einsatz kommen oder wo die Inbetriebnahme noch dieses Jahr geplant ist:
- Die Stadtwerke Marburg, die knapp 900 kW Wärmeleistung aus der Abwärme eines Heizkraftwerks nutzen, um fossile Brennstoffe in der Fernwärme zu ersetzen.
- Ein Wohngebiet in Frankfurt Sachsenhausen, bei dem Erdwärme seit 2016 im Winter mit Wärmepumpe zum Heizen und im Sommer direkt zum Kühlen verwendet wird.
- Ein Rechenzentrum des Betreibers Digital Realty in Frankfurt, dass mit Hilfe einer Großwärmepumpe mit 2.500 kW die Abwärme auf ein zur Beheizung von Büro- und Lagerflächen benötigtes Temperaturniveau anheben will. Die Wärmepumpe soll 2025 in Betrieb gehen.
Diese und weitere Projektbeispiele aus ganz Deutschland sind auch in der Projektdatenbank im Infoportal zu finden.